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SYRIZA gegen das Proletariat

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Die Hoffnung von europäischen Linken: SYRIZA und Podemos. lelibrepenseur.org

Im Verhältnis zwischen der BRD und Griechenland wird auch das schmutzige Spiel der Rechts- und LinksnationalistInnen bei der Spaltung des Weltproletariats deutlich. Während die bundesdeutschen RechtsnationalistInnen gegen die „Pleitegriechen“ hetzen, die den hart arbeitenden Deutschen auf der Tasche liegen, traten die griechischen LinksnationalistInnen von Syriza noch vor ihrer parlamentarischen Machteroberung mit dem Slogan in den Wahlkampf „Merkel oder Griechenland“. Die bundesdeutschen RechtsnationalistInnen stellten den Kredit von IWF, EU und EZB, den Athen selbstverständlich mit Zinsen zurückzahlen und dafür auch die Wirtschaft kaputt sparen und das Proletariat in das nackte Elend treiben sollte, als großzügiges Geschenk dar, das die deutschen SteuerzahlerInnen spendierten. Die linksnationalistische Syriza wiederum zeigte mit ihren nationalistischen Parolen schon vor der Ermächtigung durch das Wahlvolk wessen Geistes Kind es ist: „Merkel oder Griechenland“. Griechenland, das war und ist das griechische Nationalkapital, die griechische Nation als scheinbare Schicksalsgemeinschaft aus Kapital und Arbeit, die auch durch den deutschen Imperialismus geschädigt wird. Der imperialistisch erzwungene Sparkurs ruinierte das griechische Nationalkapital und destabilisierte es durch die wachsende Verelendung des Proletariats. „Merkel oder Griechenland“ sollte heißen: Griechische Bourgeoisie, wir kämpfen für dich gegen den ausländischen Imperialismus. „Merkel oder Griechenland“ lenkte das Proletariat in Griechenland von seinem wahren Klassenfeind, dem Kapitalismus ab, und machte es zu Stimmvieh von Syriza, der neuen regierenden Charaktermaske des griechischen Nationalkapitals.
Große Teile der bundesdeutschen Linken hatten an Parolen wie „Merkel oder Griechenland“ nichts auszusetzen. Im Gegenteil, kam doch nach den bankrotten Ideologien dieser linken KleinbürgerInnen darin der angeblich „fortschrittliche Nationalismus unterdrückter Nationen“ zum Ausdruck. Da auch der Nationalismus unterdrückter Nationen nur der Bourgeoisie und den Politbonzen – die sich manchmal auch hinter einer linken und „antikapitalistischen“ Maske verbergen – dient, das Proletariat in das jeweilige Nationalkapital zu integrieren, ist jeder Nationalismus sozialreaktionär. In Deutschland können sich linke KleinbürgerInnen mit dem „solidarischen“ Nachplappern von „Merkel oder Griechenland“ ja wahnsinnig radikal vorkommen, in Griechenland zeigt dieser Slogan seine reaktionäre Fratze. Selbstverständlich müssen SozialrevolutionärInnen in Griechenland und Deutschland auch gegen den deutschen Imperialismus kämpfen, aber im Rahmen ihres Kampfes gegen den Weltkapitalismus. Überall auf der Welt müssen proletarische RevolutionärInnen Syriza als erbärmlich stinkenden reaktionären Abfallhaufen bekämpfen und der nationalistischen Phrase „Merkel oder Griechenland“ die Position „Weltproletariat gegen Weltbourgeoisie“ entgegenschleudern!
Als Syriza vom griechischen Wahlvolk bei den Parlamentswahlen Ende Januar 2015 zur stärksten Partei ermächtigt wurde, und diese Linksnationalen ein Regierungsbündnis mit der rechtsnationalistischen Partei Anel eingingen, waren auch große Teile der kleinbürgerlichen politischen Linken der BRD zur Stelle, um viele Illusionen in das neue links-rechts-bürgerliche Regime zu schüren. Die griechische Bourgeoisie, vertreten durch den mächtigen Kapitalverband SEV, hatte zwar keine Illusionen in Syriza, aber erkannte sie von Anfang an als ihre politische Interessenvertreterin, also als regierende Charaktermaske des griechischen Nationalkapitals an. Und als solche führte sie auch die langen Verhandlungen mit den Gläubigerinstitutionen EU, IWF und EZB sowie diese Institutionen beherrschenden Imperialismen. Dass die Verhandlungen mit einer abermaligen Unterordnung Griechenlands unter die imperialistischen Institutionen und Nationen (besonders Deutschland) enden würden, war klar. Internationale Beziehungen der Nationalstaaten sind kein Wunschkonzert, sondern knallharte Gewaltverhältnisse, in denen der Stärkere den Schwächeren gnadenlos zur Kapitulation zwingt. Und Griechenland war und ist hoch verschuldet, braucht neue Kredite, um die alten zurückzuzahlen. Schuldenfrei wird Griechenland auf diese Weise natürlich nicht, aber mächtigen GläubigerInnen bleiben auf diese Weise von größeren Verlusten verschont. Das Proletariat in Griechenland muss bluten für das globale Finanzkapital – und auch das griechische Nationalkapital. Klar, durch den imperialistisch aufgezwungenen Sparkurs wurde auch das griechische Nationalkapital weitgehend kaputtgespart – auch zur Lasten der griechischen Bourgeoisie –, aber es wurde auch die Ausbeutungsrate des Proletariats erhöht, wovon auch die herrschende einheimische kapitalistische Klasse profitierte. Der imperialistisch erzwungene Sparkurs hat also eine widersprüchliche Wirkung auf das griechische Nationalkapital, was sich auch im diplomatischen Poker des Syriza-Regimes mit dem ausländischen Imperialismus widerspiegelte.
Dieses Pokerspiel, welches beide Seiten fast bis zum finanziellen Kollaps von Griechenland spielten, konnte nur mit einer verschärften Ausbeutung des griechischen Proletariats enden. Doch Syriza wollte und musste so lange pokern und konnte sich nicht sofort dem imperialistischen Druck beugen. Es musste dem Wahlvolk im eigenen Interesse das demagogische Schauspiel einer Kraft bieten, die hart und aufopferungsvoll für „das griechische Volk“ kämpfte, aber am Ende leider, leider verlor. Darin war Syriza sehr erfolgreich, was sie bot war eine demagogische Meisterleistung. Zuerst ließ sie das Wahlvolk in einem Referendum die Forderungen der GläubigerInnen mit viel propagandistischen Tamtam am 5. Juli 2015 mit rund 61 Prozent ablehnen – um dann dem imperialistischen Druck am 13. Juli 2015 endgültig nachzugeben.
Bei diesem neuen Deal des globalen mit dem griechischen Kapital gegen das Proletariat wurde vereinbart, dass für ein neues „Hilfspaket“, also einen neuen Kredit in Höhe von 82 bis 86 Milliarden Euro, der Kreditnehmer aus Athen weiter das einheimische Proletariat auspressen sollte. Und Syriza presste mit ganzer Kraft. Am 15. Juli und am 22. Juli 2015 beschloss das Parlament gegen die Stimmen des linken Flügels der Partei, aber mit Stimmen der Oppositionsparteien folgende Angriffe auf das Proletariat: „Die Mehrwertsteuer auf zahlreiche Lebensmittel und Dienstleistungen wurde um extreme zehn Prozentpunkte erhöht, das Renteneintrittsalter wird erhöht, Zuschüsse für arme Rentner werden abgeschafft. Der Fiskalpakt wird ins griechische Recht übernommen und der Staatshaushalt durch eine automatisierte Ausgabenkürzung dem Einfluss von Regierung und Parlament entzogen. Massenentlassungen werden erleichtert, Märkte liberalisiert und vor allem ein Treuhandfonds eingerichtet, der verbliebenes Staatseigentum im Umfang von 50 Milliarden Euro an Investoren verscherbeln wird. Natürlich ist diese Summe unrealistisch, weshalb die Gläubiger sicherstellten, dass die ersten 25 Milliarden ausschließlich für die Rückzahlung der Rekapitalisierungskredite an die griechischen Banken verwendet werden und erst dann ein Teil der Privatisierungserlöse in Investitionen fließen darf. Natürlich hinderte dieser Umstand Tsipras nicht daran, der Öffentlichkeit die ,Investitionen‘ als bedeutende Errungenschaft zu verkaufen. Man darf freilich gespannt sein, welche sozialen Scheußlichkeiten die ausgehandelte Vereinbarung in ihrer endgültigen Version darüber hinaus noch enthalten wird.“ (Thanasis Spanadis, Fatale „Europhorie“, in: junge Welt vom 5. August 2015, S. 12.) Um den Sparkurs reibungslos umsetzen zu können entledigte sich das Syriza-Regime am 17. Juli 2015 der Regierungsmitglieder, die dem linken Flügel der Partei angehörten.
Fazit: Die „kleinen Leute“, die Syriza auf dem Leim gingen, bekamen die Reproduktion der Angriffe von „Merkel“ (des ausländischen Imperialismus) und „Griechenland“ (der einheimischen Bourgeoisie). Syriza wurde zur regierenden Charaktermaske des griechischen Nationalkapitals und organisierte den Klassenkampf von oben weiter. Große Teile der globalen kleinbürgerlichen politischen Linken halfen mit ihrer Illusions-Produktion dabei, das Weltproletariat gegen das Syriza-Regime geistig-praktisch zu entwaffnen. Wir proletarischen RevolutionärInnen warnten bereits vor Syriza, als diese noch die Oppositionsbank drückte. So schrieben wir im Jahre 2013: „Sollte Syriza in ,Regierungsverantwortung‘ gelangen, hätte die globale und griechische Bourgeoisie es wahrscheinlich nicht allzu schwer, diese Partei zu disziplinieren.“ (Nelke, Klassenkämpfe in Griechenland, S. 71.)
Derweil gehen in Griechenland die ParteimarxistInnen links von der Syriza-Führung mit ihren alten staatskapitalistischen Konzepten aus der Steinzeit der Kapitalvermehrung hausieren. Auch die sozialdemokratisch-trotzkistische Organisation Xekinima (Schwesterorganisation der deutschen SAV) am Rande der Syriza übte sich noch Anfang März 2015 als Ratgeber der linksbürgerlichen Regierung und verlangte von ihr ein staatskapitalistisches Programm. So sagte der Sprecher von Xekinima, Nikos Kanellis, in einem Interview mit der jungen Welt: „Dann sollte die Regierung sozialistische Politik umsetzen, wie die Verstaatlichung der Banken und entscheidender Wirtschaftsbereiche unter Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse und Gesellschaft, öffentliche Investitionsprogramme und Wirtschaftsplanung. Die Volkswirtschaft sollte geschützt werden vor Profitstreben und Sabotage des Kapitals. Leider geht Tsipras einen anderen Weg. Deshalb ist der Druck von unten entscheidend.“ („Der Druck von unten ist entscheidend.“ Gespräch mit Nikos Kanellis, in: junge Welt vom 3. März 2015, S. 2.) Während SozialrevolutionärInnen kompromisslos gegen alle Staaten kämpfen, geben diese total sozialdemokratisierten TrotzkistInnen linksbürgerlichen Regimes schlechte staatskapitalistische Ratschläge mit auf dem Weg und das Proletariat ist lediglich dazu gut, um Druck auf Syriza auszuüben – damit diese dann zurück in die Zukunft des staatskapitalistischen Paradieses geht.
Nachdem sich Syriza und der EU-Imperialismus unter deutscher Führung sich am 13. Juli 2015 grundsätzlich über die Weiterführung des Klassenkampfes von oben geeinigt hatten, probte der gemäßigt staatskapitalistische Flügel dieser Partei den Aufstand. Neben der Verweigerung der parlamentarischen Zustimmung zu den Angriffen auf das Proletariat, forderte dieser den Austritt aus den Euro, die Verstaatlichung der Banken und Schlüsselindustrien.
Die orthodox stalinistisch-staatskapitalistische „Kommunistische“ Partei Griechenlands („K“KE) bekämpfte kompromisslos auch den linken Flügel von Syriza. Heike Schrader schrieb über die Haltung der „K“KE: „Parteichef Dimitris Koutsoubas erklärte, seine Partei sei derzeit ,entschieden gegen einen Ausstieg aus dem Euro‘. Pläne, wie die von den Syriza-Linken vorgeschlagenen, seien eventuell sogar schlimmer als die Memoranden, denn die Rückkehr zur nationalen Währung würde unweigerlich zur ,Abwertung von über 50 Prozent‘ und damit zur entsprechenden Minderung des Einkommens der Lohnabhängigen führen. Für die KKE kommt ein Ausstieg nur in Verbindung mit der ,übergangslosen vollständigen Einführung sozialistischer Verhältnisse‘ in Frage.“ (Heike Schrader, Vorwurf des Putsches, in: junge Welt vom 29. Juli 2015, S. 6.) Die staatskapitalistische Konzeption der „K“KE sieht die komplette Verstaatlichung der Industrie, den nationalstaatlichen Austritt Griechenlands aus der EU, die einseitige Streichung der Staatsschulden und die Annäherung an Russland vor. Proletarische RevolutionärInnen treten selbstverständlich nicht für nationalstaatliche Austritte aus der EU ein. Sie führen einen harten und langen Kampf – der vielleicht nicht siegreich verläuft, aber auf alle Fälle absolut notwendig und richtig ist – gegen den Weltkapitalismus, internationale imperialistische Bündnisse wie NATO und EU sowie privat- und staatskapitalistische Nationalismen.

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