Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus II

Wir veröffentlichen hier die Fortsetzung des Artikels „Der IS, der Imperialismus und der kurdische Nationalismus I“. Der erste Teil könnt ihr hier bei der Gruppe Sozialer Widerstand lesen.

Dschihadisten der ISIL-Miliz nach Eroberung der Verbindungsstraße zwischen Ninawa Provinz im Irak und der Stadt Al-Hasaka in Syrien. 11. Juni 2014. AFP

Das syrische Assad-Regime nutzte den Strategiewechsel der USA, um Versuche zu starten Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS zu werden. So begrüßte die syrische Regierung die US-Luftangriffe auf ihrem Territorium. Aber der US-Imperialismus scheute bisher davor zurück, dass Assad-Regime direkt in seine imperialistische Allianz gegen den IS zu integrieren. So setzen die USA weiterhin auf die „moderate“ bewaffnete syrische Opposition, die Freie Syrische Armee (FSA), die jetzt nicht nur das Assad-Regime sondern auch den IS am Boden bekämpfen soll. Noch vor Beginn der US-Luftangriffe auf den IS in Syrien, beschloss das US-Repräsentantenhaus am 17. September 2014, dass die FSA mit 500 Millionen Dollar unterstützt werden soll. Während das Assad-Regime die US-Luftangriffe öffentlich billigte, lehnt es verständlicherweise die imperialistische Unterstützung der FSA ab.
Durch die strategische Umorientierung des US-Imperialismus, der die Bekämpfung des IS nun als Hauptziel in der Region ansah, kam es auch zu gewissen Differenzen mit dem NATO-Verbündeten Türkei. Die Regionalmacht sah weiterhin im Sturz des syrischen Assad-Regimes und in der Schwächung des syrisch-kurdischen Autonomiegebietes Rojava – auch weiterhin mit Hilfe des IS (siehe dazu weiter unten) – seine strategischen Hauptziele. So versuchte der türkische Imperialismus vor Beginn der US-Luftangriffe in Syrien vergeblich ihre NATO-Verbündeten für die Schaffung einer Pufferzone in Nordsyrien zu gewinnen, die auch eine Flugverbotszone für das Assad-Regime beinhaltet hätte. Die Türkei wiederum verweigerte den USA ihren Luftkrieg gegen den IS von türkischen Flughäfen aus zu führen. Mit diesem Kurs geriet die türkische Regierung sowohl unter den Druck des einheimischen kurdischen Nationalismus als auch unter den des US-Imperialismus –besonders in der Schlacht um Kobani, den der kurdische Nationalismus mit Unterstützung der imperialistischen Allianz und der kleinbürgerlichen politischen Linken gegen den IS führt und den wir weiter unten genauer unter die Lupe nehmen wollen. Die kurdischen NationalistInnen verlangten vom türkischen Imperialismus nicht länger den IS zu unterstützen, sondern Kämpfer und Rüstung zu ihren Gunsten und gegen die Islamisten über ihre Grenze zu lassen. Das führte im Herbst 2014 zu schweren Konflikten zwischen dem türkischen Staat und den kurdischen NationalistInnen.
Bei Wikipedia ist über den Konflikt zwischen der Türkei und der imperialistischen Allianz gegen den IS – einschließlich des kurdischen Nationalismus – zu lesen: „Auf Grund der Haltung der Türkei, weder selbst militärische Hilfe zu senden noch kurdische Kämpfer oder Waffen zur Unterstützung über die Grenze zu lassen, kam es zu Demonstrationen in der Türkei und in anderen Ländern. Laut türkischen Regierungsangaben kamen bei diesen Demonstrationen bis zum 10. Oktober 31 Menschen ums Leben. Cemil Bayık sah in der am 2. Oktober erteilten Ermächtigung des Parlaments seitens der Türkei eine Beendigung des Friedensprozesses mit der PKK. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura forderte die Türkei am 11. Oktober auf, zumindest die freiwilligen kurdischen Kämpfer samt Waffen nach Kobanê zu lassen. Die Türkei lehnte diesen Vorschlag ab. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu bezeichnete einen Korridor, über den von der Türkei aus Waffen und Kämpfer zur Unterstützung der Kurden in die Stadt gelangen könnten, als unrealistisch. Laut Susan Rice, der Sicherheitsberaterin von US-Präsident Obama, dürfe die internationale Allianz in Zukunft auch NATO-Stützpunkte in der Türkei nutzen; auch gestatte die Türkei die Ausbildung von gemäßigten syrischen Rebellen auf ihrem Gebiet.
Die Türkei stellte am 10. Oktober 2014 für die Entsendung von Bodentruppen konkrete Forderungen: Unterstützung bei der Entsendung von Bodentruppen und die Einrichtung einer Schutz- und Flugverbotszone auf syrischem Gebiet. Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad war schon einmal als Bedingung an die Anti-IS-Allianz von Ahmet Davutoğlu formuliert worden, um eine Beteiligung der Türkei zu erreichen.
Am 13. Oktober 2014 stand in der Presse, dass die Türkei ihre Flughäfen, insbesondere den in Incirlik, für alliierte Luftschläge gegen den IS zur Verfügung stelle. Stunden später folgte ein Dementi. Die Türkei hielt zudem daran fest, keinen Korridor für die Versorgung der eingeschlossenen Kurden zu eröffnen. Nachdem PKK-Rebellen seit drei Tagen einen Militärposten in der Provinz Hakkâri beschossen hätten, flog die Türkei am 14. Oktober Luftangriffe gegen PKK-Stellungen im Bezirk Dağlıca. Dies waren die heftigsten Angriffe seit Beginn des Friedensprozesses mit der PKK.
Am 19. Oktober gab Amnesty International (AI) bekannt, dass von 250 in der Türkei festgenommenen syrischen Flüchtlingen 107 die Abschiebung in die umkämpfte Stadt drohe. Die 250 syrischen Flüchtlinge waren wegen mutmaßlicher Verbindungen zur PYD festgenommen worden. Laut AI wurden Flüchtlinge, darunter auch Kinder, abgeschoben. Der Präsident der Türkei bekräftige den Willen zur Zusammenarbeit gegen die IS-Milizen, stellte aber auch klar, dass es keine Waffenlieferung an die Verteidiger von Kobanê geben werde, da diese zur PYD gehören würden und somit eine Terrororganisation wie die PKK wären.
Am 20. Oktober gab der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu auf einer Pressekonferenz bekannt, die Türkei sei bereit, Peschmerga aus der autonomen Kurdenregion im Irak nach Kobanê zu lassen. Kurden aus der Türkei solle es dagegen weiterhin nicht erlaubt werden, sich den YPG anzuschließen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Kampf_um_Koban%C3%AA)
Der irakisch-kurdische Nationalismus gehört zu den großen Gewinnern der imperialistischen Allianz gegen den IS, wie auch Joachim Guillard beschrieb: „Hauptnutznießer der Entwicklung sind die nach Unabhängigkeit strebenden irakischen Kurden, allen voran der Barsani-Clan und seine Demokratische Partei Kurdistans (KDP). Insbesondere die offene, an der Zentralregierung vorbei erfolgte militärische Aufrüstung ihrer Peschmerga-Verbände, die sie seit vielen Jahren vergeblich gefordert hatten, bedeutet einen weiteren großen Schritt in Richtung faktische staatliche Unabhängigkeit.
Auch das Zurückweichen der irakischen Armee vor dem ISIL und den aufständischen Gruppen kam den Kurdenparteien sehr gelegen. Die Peschmerga rückte sofort nach und besetzen nun weitere große Teile des bis zu 100 Kilometer breiten Landstreifens, den sie jenseits der Grenze der Autonomen Region Kurdistans beanspruchen. Unter kurdische Hoheit gerieten dabei auch die Hauptstadt der Nachbarprovinz, Kirkuk, und ihre Umgebung, wo die größten nordirakischen Ölfelder liegen.
Ein großer Teil dieser ,umstrittenen Gebiete‘ stand bereits seit 2003 unter ihrer Kontrolle, als sie zusammen mit den US-amerikanischen Invasionstruppen einmarschierten. Die kurdische Regionalregierung hat auch schon für Ölfelder, die in diesem Gebiet liegen, Konzessionen an ausländische Konzerne, darunter Total und die US-Multis Exxon-Mobile und Chevron, vergeben und damit die Spannungen mit der Zentralregierung extrem zugespitzt. Irakische Armee und Peschmerga standen sich jahrelang schussbereit an der Demarkationslinie gegenüber, mehrfach mussten die Besatzer dazwischen gehen. Mit dem Abschluss der für Exxon, Chevron und Total überaus lukrativen Geschäfte schufen die Kurden jedoch in den beanspruchten Gebieten harte Fakten und konnten darauf vertrauen, dass die Multis ihre erheblichen Investitionen schützen werden.
Dennoch hatten sich die Bemühungen der Kurden um größere Unabhängigkeit festgefahren. Sie hatten in den letzten Jahren zwar die Ölförderung auf ihrem Territorium mittels eigenmächtiger Abkommen mit ausländischen Konzernen deutlich ausgebaut und im Mai auch eine eigene in die Türkei führende Pipeline in Betrieb genommen, konnten das Öl aber aufgrund des Widerstandes der Zentralregierung nur schwer verkaufen. Washington, bemüht, das Auseinanderbrechen des Iraks zu vermeiden, unterstützte bisher Bagdads Sicht, dass solche eigenmächtigen Verkäufe illegal sind – trotz des Drucks der involvierten Ölkonzerne und der türkischen Regierung. Mit dem Vorrücken des ISIS im Irak und dem Kollaps der Regierungstruppen avancierten die irakischen Kurden jedoch plötzlich zur einzigen verlässlichen Kraft. Dies machte nicht nur den Weg frei für direkte Waffenlieferungen an Barsanis KDP und den Einsatz der US-Luftwaffe zur Unterstützung von deren Kämpfern in Gefechten um die ,umstrittenen Gebiete‘, sondern scheint auch die Tür für den Export kurdischen Öls zu öffnen. Ende Augst (2014) verwarf ein US-Gerichtshof das Urteil eines Distriktgerichtes, den vor der texanischen Küste liegenden Tanker ,United Kalavryta‘ mit einer Million Barrel kurdischen Rohöls im Wert von knapp 100 Millionen US-Dollar an Bord, zu beschlagnahmen. US-Experten erwarten nun bald auch die Erlaubnis, das Öl in einem texanischen Hafen entladen zu dürfen.
Kämpfer von Barsanis KDP hatten im Juni (2014) auch die Förderanlagen des Kirkuk- und des Bai-Hassan-Ölfeldes übernommen und die dort arbeitenden Angestellten der staatlichen ,Northern Oil Company‘ vertrieben. Diese Ölfelder haben zusammen eine Förderleistung von rund 500.000 Barrel pro Tag (bpd), das ist rund ein Fünftel der gesamten irakischen Kapazität. Mitte Oktober (2014) begannen die Kurden, daraus 200.000 Barrel täglich zu den Raffinerien zu pumpen, die unter ihrer Kontrolle stehen und damit Öl aus eigenen Ölfeldern für den Export freizumachen. Sie haben ihre Ausfuhr im Sommer (2014) von 180.000 auf 240.000 bpd ausbauen können. Wohin die illegalen Exporte gehen, bleibt im Nebel. Ein Teil floss im Sommer (2014) offenbar nach Ungarn, auch Österreich und Deutschland scheinen davon etwas erhalten zu haben.
Massud Al-Barsani, KDP-Chef und Präsident der Autonomen Region Kurdistan, kündigte auch unmittelbar nach der Übernahme von Kirkuk ein baldiges Referendum über die Unabhängigkeit der von KDP und der Patriotischen Union Kurdistans kontrollierten Gebiete an. Sukzessive werden die eroberten Regionen in die politischen Strukturen des kurdischen Autonomiegebietes eingebunden. 24.000 Peschmerga kontrollieren nun Kirkuk, und das kurdische Regionalparlament eröffnete Mitte Oktober (2014) bereits eine Repräsentanz in der Stadt, um deren ,kurdische Identität zu unterstreichen‘.
Kirkuk ist jedoch keineswegs überwiegend kurdisch geprägt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war sie mehrheitlich turkmenisch, 1977 stellten schon Araber die größte Bevölkerungsgruppe. In der gesamten Provinz betrug deren Anteil 1997 rund 70 Prozent. Dies hat sich zwar infolge von Vertreibungsmaßnahmen von Seiten der Kurdenparteien seit 2003 zugunsten der Kurden verschoben, eine Mehrheit stellen sie jedoch noch immer nicht. Die neue irakische Verfassung sieht im Artikel 140 vor, dass der Status von Kirkuk per Referendum geklärt werden soll. Da dessen Durchführung die Gewalt zwischen den Bevölkerungsgruppen mit Sicherheit eskalieren ließe, wurde es auf unbestimmte Zeit verschoben.
Artikel 140 sei nun endlich umgesetzt, wenn auch durch besondere Umstände, erklärte Barsani im Juni (2014) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem damaligen britischen Außenminister William Hague. Jegliche weitere Diskussion über diesen Artikel sei damit überflüssig. Der Widerstand gegen die Annexion ist jedoch keineswegs überwunden, auch wenn Bagdad aktuell wegen des Vormarsches des ISIL und wegen der Aufständischen die Hände gebunden sind. Die übrige Bevölkerung wird sich nicht mit der kurdischen Herrschaft abfinden, und keine arabische Organisation wird die kurdische Kontrolle über die annektierten Ölfelder akzeptieren.“ (Joachim Guillard, Gedungene Mörder, a.a.O., S. 12/13.)
Auch der bundesdeutsche Imperialismus nutzte den Strategiewechsel der USA, um seinen geopolitischen Einfluss in der Region zu verstärken. Schon zu Zeiten als die Hauptstrategie des US-Imperialismus darin bestand das Assad-Regime zu stürzen und dabei die Islamisten als kleineres Übel betrachtet wurden, nutzte das die BRD um als US-Verbündete in der Region ihren eigenen Einfluss zu stärken. So sichern die Bundeswehrsoldaten des Patriot-Raketenabwehrsystems in der Türkei die imperialistische Einmischung der letztgenannten Regionalmacht in den syrischen BürgerInnenkrieg ab. Auch der IS wird auch nach der US-Strategie-Modernisierung noch inoffiziell von der Türkei zur Destabilisierung des Assad-Regimes und des syrischen Kurdengebietes benutzt – was von der Bundeswehr mit abgesichert wird. Gleichzeitig beteiligt sich die BRD ab September 2014 an der imperialistischen Allianz gegen den IS. Das Merkel-Regime lieferte Waffen an die irakisch-kurdische Peschmerga – immerhin 600 Tonnen Kriegsgerät. Außerdem wurden irakisch-kurdische Soldaten an der deutschen Infanterieschule in Hammelburg ausgebildet. Doch dieser imperialistische Einfluss in den Irak reichte Berlin nicht aus. So begannen deutsche Armeeangehörige mit der Einrichtung eines „militärischen Verbindungselements“ in der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Irak, Erbil. Im Dezember 2014 teilte der bundesdeutsche Imperialismus offiziell mit, dass er 100 BundeswehrsoldatInnen zur Ausbildung von irakisch-kurdischen Kämpfern in den Irak senden wolle.
Auch der syrisch-kurdische Linksnationalismus nutzte den Strategiewechsel des US-Imperialismus, um Teil der von diesem geführten Allianz gegen den IS zu werden. Dabei forderte er offensiv die Hilfe der „internationalen Gemeinschaft“ der kapitalistisch-imperialistischen Staaten ein. Das ist typisch für ganz normale bürgerliche Nationalismen. Doch wäre die kurdisch-linksnationale Partei PYD wirklich eine antikapitalistische Kraft wie die linken KleinbürgerInnen auch in der BRD behaupten, würde sie keinen Unterstaat aufbauen, sondern versuchen die ersten Keime einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft zu schaffen und an die Solidarität des Weltproletariats appellieren anstatt an die Hilfe imperialistischer Staaten. Aber politische Parteien können objektiv nur bürgerlich sein. So wurde die PYD als faktische Regierungspartei von Rojava Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS. Nachdem der US-Imperialismus zuerst vorwiegend die Öl-Raffinerien, die sich in der Verfügungsgewalt des IS befanden, bombardierte, kam es bei den Gemetzeln um Kobani schließlich doch zu einer bewaffneten Allianz zwischen den militärischen Einheiten des syrisch-kurdischen Nationalismus, YPG und YPJ – die letztere eine bewaffnete Fraueneinheit – und den Streitkräften von Uncle Sam.
Der IS begann seinen Angriff auf den syrisch-kurdischen Kanton Kobani am 15. September 2014. Im Verlauf der ersten drei Wochen konnte der IS das Kanton Kobani unter seine Kontrolle bringen und die gleichnamige Stadt einkesseln. Die YPG und YPJ verteidigten die Stadt als wichtigen Posten des syrisch-kurdischen Nationalismus gegen den Islamismus. Dabei wurden sie von der PKK und der vom US-Imperialismus ausgehaltenen Freien Syrischen Armee (FSA) unterstützt. Seit dem Beginn der Kämpfe wurden bis zum 10. Dezember 2014 rund 300.000 ZivilistInnen der Stadt in die Türkei evakuiert. Bereits am 24. September 2014 unterstützte der US-Imperialismus den syrisch-kurdischen Nationalismus in Kobani durch Luftangriffe auf den IS 30 km vor der Stadt. Am 28. September begannen die islamistischen Dschihadisten einen Großangriff auf Kobani, worauf viele ZivilistInnen die Stadt verließen. Am 30. September griff die US-Luftwaffe zwei Stellungen der IS westlich und östlich von Kobani an. Bis zum 1. Oktober 2014 brachten die Islamisten 300 kurdische Dörfer unter ihre Gewalt. Am 3. Oktober 2014 nahm die Heftigkeit des islamistischen Angriffes auf Kobani noch zu. In der Nacht zum 6. Oktober gelang es den IS-Dschihadisten in das Stadtgebiet von Kobani einzudringen. Im Laufe dieses Tages kam es zu einem Häuserkampf zwischen Islamisten und kurdischen NationalistInnen. Die letzteren forderten an diesem Tag die Zivilbevölkerung auf, die Stadt zu verlassen. Auch aus sozialrevolutionärer Sicht war in diesem Falle eine Flucht aus der Stadt die richtige Wahl, um nicht völlig sinnlos auf dem Schlachtfeld zwischen kurdischen Nationalismus/US-Imperialismus und dem Islamismus massakriert zu werden. So überquerten in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober rund 700 Flüchtlinge die türkische Grenze.
In der Nacht zum 13. Oktober konnten die kurdischen NationalistInnen im Kampf gegen den IS im Südwesten und im Nordosten von Kobani zwei Stadtviertel zurückerobern. Der US-Imperialismus unterstützte diese Rückeroberung durch Luftangriffe auf die Dschihadisten. In dieser Zeit wurde die Zusammenarbeit des kurdischen Nationalismus mit der vom US-Imperialismus geführten internationalen Koalition gegen den IS sehr intensiv. So sagte der Sprecher der kurdischen YPG, Polat Can, gegenüber der liberalen türkischen Zeitung Radikal: „Wir handeln nun gemeinsam mit den Kräften der internationalen Koalition. Wir haben eine direkte Partnerschaft im Bereich des Informationsaustausches im militärischen Bereich sowie bei den Luftangriffen.“ (Zitiert nach Nick Brauns, Unter einem Dach, in: junge Welt vom 17. Oktober 2014, S.7.) So saß dann auch ein YPG-Vertreter im Operationszentrum, in dem die Luftangriffe koordiniert wurden. Auch die indirekte Bodentruppe des US-Imperialismus, die Freie Syrische Armee (FSA) griff am 29. Oktober auf der Seite der syrisch-kurdischen NationalistInnen bei der Schlacht um Kobani mit der Ankunft von 50 bis 70 Kämpfern ein. Als dann schließlich am Morgen des 29. Oktober noch die irakisch-kurdische Peschmerga mit 70 Kämpfern Kobani erreichte, führte das geradezu zu einem kurdisch-nationalen Einheitstaumel.
Auch durch diese direkte Integration des kurdischen Nationalismus kann die imperialistische Allianz gegen den IS ihren Krieg auf Kosten der kleinbürgerlichen und proletarischen Zivilbevölkerung als humanitäre Befreiungsaktion verkaufen. „Wir können nicht tatenlos zusehen!“ heißt das zynisch-verlogene Kriegsgeschrei der westeuropäischen Imperialismen und des US-Imperialismus. Ob sie bei massenhaften Morden zuschauen oder mitmorden hängt bei den verschiedenen Imperialismen immer von den jeweiligen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen ab. Sowohl das Zusehen als auch das Mitmachen an den globalen Gemetzeln ist aus proletarischer Klassenperspektive nur grundsätzlich zu bekämpfen. Wir proletarischen RevolutionärInnen verlangen nicht wie die linken KleinbürgerInnen von den verschiedenen Imperialismen und Nationalismen eine „andere Politik“, sondern bereiten die Zerschlagung aller Nationalismen durch die revolutionäre Selbstaufhebung des Weltproletariats vor. Dass ist alles andere als SektierInnentum. Denn der bürgerliche „Frieden“ und der „nationale Befreiungskrieg“ als verschiedene Formen linker Realpolitik sind beide Momente des kapitalistischen Massakers am Proletariat. Auch der bürgerliche militärische Frieden zwischen den Nationalismen verheizt als Durchsetzungsform des ökonomischen Konkurrenzkampfes massenhaft die Gesundheit und das Leben unzähliger ProletarierInnen und bereitet den nächsten militärischen Krieg vor. Und der „nationale Befreiungskrieg“ ist eine Reproduktion der sozialen Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats.
Nein, wir verlangen von den Imperialismen und Nationalismen sowie von der kleinbürgerlichen politischen Linken nicht das Geringste. Wir verlangen von uns selbst und unseren KollegInnen und Klassengeschwistern, dass wir konsequent den bürgerlichen Frieden und den imperialistischen Krieg bekämpfen. Vor Ort muss der Selbstschutz der Zivilbevölkerung gegen den IS – und wenn nötig die Flucht – möglichst geistig und praktisch unabhängig von den Imperialismen und Nationalismen organisiert werden. SozialrevolutionärInnen müssen sich im notwendigen Kampf gegen bestimmte Fraktionen des Weltkapitals immer von den anderen Fraktionen des Weltkapitals geistig und praktisch getrennt halten. Das heißt, dass der notwendige sozialrevolutionäre Kampf gegen den IS unabhängig von der imperialistischen Allianz – einschließlich des kurdischen Nationalismus – zu führen ist.
Das imperialistische Gemetzel in Syrien und im Irak bezieht sich propagandistisch „auf die Menschen“, die vom IS gefoltert, eingeschüchtert und massakriert werden – um selbst auf Kosten der Zivilbevölkerung im Interesse des Rüstungskapitals, der sicheren Ölversorgung und einer gehobenen geostrategischen Position des jeweiligen Nationalstaates mit zu morden. Wie wir bereits ausführten, sind die Verbündeten des US-Imperialismus gegen den IS, die irakische Regierung und die schiitischen Milizen, ebenfalls asoziale Mordbuben und Folterknechte. Diese als „kleineres Übel“ zu den IS zu bezeichnen, kann nur das zynische Geschäft von ImperialistInnen und deren Kopf- und Handlangern sein. Die kleinbürgerlichen MenschenrechtsaktivistInnen appellieren hilflos an die imperialistischen Hauptmächte ihre regionalen Vasallen gegen den IS doch bitteschön anzuhalten, dass Völkerrecht und die Menschenrechte einzuhalten. Doch nur die soziale Weltrevolution kann den globalen Mordbuben und Folterknechten des Kapitalismus das Handwerk legen.
Diesen klaren proletarisch-revolutionären Klassenstandpunkt vertritt der kleinbürgerliche Intellektuelle Joachim Guillard selbstverständlich nicht, aber aus seinen Ausführungen über das Gemetzel der irakischen Regierung und der schiitischen Milizen geht ebenfalls eindeutig hervor, dass die imperialistische Allianz sich nicht nur gegen den IS richtet, sondern auch gegen unsere Klassengeschwister im Irak und Syrien. Aus der Sicht des sozialrevolutionären Universalismus ist also die imperialistische Allianz gegen den IS – einschließlich des kurdischen Nationalismus – ein Feind des Weltproletariats.
Guillard schrieb über das Gemetzel der irakischen Regierung und der Schiitenmilizen an der Zivilbevölkerung und die hilflosen Appelle der Menschenrechtsorganisationen an die Nationalismen und Imperialismen ihre Massaker innerhalb gewisser völkerrechtlicher Normen zu halten: „Amnesty International appelliert an den neuen irakischen Regierungschef, Haider Al-Abadi, den Verbrechen der Regierungstruppen und verbündeter Milizen ein Ende zu machen. Human Rights Watch (HRW) forderte Washington unlängst auf, die schweren Vergehen der Regierung in Bagdad und ihrer Milizen nicht länger zu unterstützen. ,Das ganze letzte Jahr über haben die USA ununterbrochen militärisches Material an Bagdad geliefert‘, so HRW, trotz vieler dokumentierter ,entsetzlicher Verbrechen durch Regierungskräfte‘, wie ,willkürliche Luftangriffe, die in sunnitischen Gebieten Tausende Zivilisten töteten, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen‘ sowie ,ein Justizsystem, das häufig wesentlich missbräuchlich als gerecht erscheint‘. Die Eingliederung schiitischer Milizen in die Sicherheitskräfte habe ein Ausmaß erreicht, dass sie nun faktisch ununterscheidbar mache.
Da es offensichtlich ist, dass die regressive, die Sunniten schwer benachteiligende Politik Malikis den Aufstand in den sunnitischen Provinzen provozierte und damit auch den Boden für das Vordringen des ISIL bereitete, hofft man nun im Westen, Al-Abadi werde die Interessen von Sunniten und anderer benachteiligter Bevölkerungsgruppen etwas besser berücksichtigen. Da den meisten Strategen in Washington bewusst ist, dass der ISIL nur im Bündnis mit sunnitischen Kräften zu besiegen ist, ist der Druck auf die neue Regierung groß, zu einem Ausgleich mit ,moderaten‘ sunnitischen Führern zu kommen. Der neue irakische Regierungschef versprach auch bei seinem Amtsantritt am 8. September (2014), die Bombardierung sunnitischer Städte einzustellen und die Forderungen der sunnitischen Opposition zu prüfen. Faktisch ist er bisher jedoch keinen Schritt auf die Aufständischen zugegangen. Sowohl die Luftwaffe als auch die Artillerie feuern weiterhin in Falludscha und anderen sunnitischen Städten auf zivile Ziele. Das Zentralkrankenhaus von Fallufscha wurde direkt am Tag nach der Ankündigung Al-Abadis erneut getroffen.
Eine grundsätzliche Änderung der Politik war von Malikis Nachfolger auch nicht ernsthaft zu erwarten. Wenn nach dem rasanten Aufstieg der ISIL die ,Unfähigkeit‘ Malikis und der irakischen Politiker in der ,Grünen Zone‘ Bagdads allgemein gegeißelt wurde, so wurde geflissentlich übersehen, dass die Praxis, die den Irak immer weiter in den Abgrund reißt, bereits unter US-Besatzung begonnen wurde. Vor 2003 gab es im Irak weder konfessionellen Proporz noch dschihadistische Gruppen. (Anmerkung von Nelke: Hier schwingt die für „AntiimperialistInnen“ wie Guillard typische Verharmlosung des Saddam-Hussein-Regimes als eines nationalistischen Gegenspielers des US-Imperialismus mit.) Die Besatzer setzten jedoch von Anfang an auf konfessionelle Spaltung. Sie installierten ein schiitisch-islamistisches Regime, förderten eine einseitig gegen Sunniten gerichtete ,Entbaathifizierung‘ und entfesselten schließlich zur Schwächung des Widerstands im Land einen schmutzigen Krieg gegen Sunniten und die unabhängige Intelligenz. Maliki führte diese Politik nur fort, ab 2009 mit Unterstützung Obamas.
Das Regime, das vor acht Jahren mit Maliki an der Spitze installiert wurde, beruht auf einem Kompromiss zwischen Washington und Teheran. Deren zentrales gemeinsames Ziel besteht in der dauerhaften Verhinderung jeglicher Wiederbelebung eines souveränen, arabisch-nationalistisch orientierten Staates. Die Inthronisierung Al-Abadis, der der gleichen Partei wie Maliki angehört, beruht auf demselben Kompromiss. (Anmerkung von Nelke: In der Formulierung von Guillard schwingt mit, dass das was der iranische und der US-Imperialismus verhindern wollen, nämlich einen „souveränen, arabisch-nationalistischen Staat“ im Irak, die „AntiimperialistInnen“ für etwas „Fortschrittliches“ zumindest aber für ein „kleineres Übel“ halten. Wir proletarischen RevolutionärInnen kämpfen dagegen gegen alle Staaten und Staatsformen auf dieser Welt!)
Ein solches gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gerichtetes Ziel lässt sich jedoch nur mit Gewalt durchsetzen, gestützt auf die Betonung religiöser Identitäten und die Mobilisierung ethnischer und konfessioneller Feindseligkeiten. Damit werden die bewaffneten Auseinandersetzungen anhalten, der ISIL und andere radikale Milizen weiterhin Rückenwind erhalten und das Land immer stärker zerfallen. Das militärische Eingreifen der USA auf Seiten der Regierungstruppen, schiitischer Milizen und kurdischer Peschmerga verschärft die Entwicklung weiter.“ (Joachim Guillard, Gedungene Mörder, a.a.O., S. 13.)
Die im Gewand der „internationalen Gemeinschaft“ auftretende imperialistische Allianz gegen den IS, die sich propagandistisch so rührend um die Opfer des IS sorgt, hat zwar sehr viel Geld für den Krieg als Subventionierung des Rüstungskapitals übrig, aber kaum für die syrischen Flüchtlinge, wie auch folgender Zeitungsartikel vom 5. Dezember 2014 aufzeigt:
„Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat derweil erklärt, seine Nahrungsmittelhilfe für 1,7 Millionen Flüchtlinge in Syrien und in den Nachbarländern Irak, Türkei, Libanon, Jordanien sowie in Ägypten einstellen zu müssen, weil die Geberstaaten ihre finanziellen Zusagen nicht einhielten. Den UN fehlen nach eigenen Angaben umgerechnet 52 Millionen Euro. ,Insbesondere die Golfstaaten‘ könnten mehr tun, sagte der WFP-Koordinator für Deutschland, Ralf Südhoff, der ARD. Am Rande der NATO-Konferenz in Brüssel erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, die Bundesregierung werde weitere 40 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die syrischen Flüchtlinge überweisen. Das WFP erhält davon 15 Millionen Euro für Nahrungsmittelprogramme in Syrien, Jordanien und der Türkei. 25 Millionen Euro werden für ,Winterhilfe, Polioimpfkampagnen und weitere Nothilfemaßnahmen‘ der UNO sowie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz überwiesen. Im Jahr 2014 hat Berlin damit 162 Millionen Euro für die Flüchtlinge gezahlt.
Gegenüber den Kriegskosten ist das allerdings eine kleine Summe. Das Pentagon geht davon aus, dass die Angriffe der ,Anti-IS-Koalition‘ seit dem 8. August 2014 täglich mit rund zehn Millionen US-Dollar (8,1 Millionen Euro) zu Buche schlagen. Allein beim ersten Angriff auf Syrien Ende September (2014) hatte die US-Armee 47 ,Tomahawk‘-Raketen abgefeuert. Eine Rakete kostet mehr als eine Million US-Dollar. Im Magazin The New Yorker war kürzlich zu lesen, dass der Einsatz eines ,B-I‘-Bombers pro Stunde 85.000 US-Dollar und der eines ,F-15‘-Kampfjets stündlich mehr als 39.000 US-Dollar kostet. Das Internetnachrichtenportal The Intercept schlussfolgerte, dass die Kosten für einen Tag des Krieges in Syrien und im Irak ausreichen würden, um Millionen Flüchtlinge zu versorgen.“ (Karin Leukefeld, Friedensvorschlag, in: junge Welt vom 5. Dezember 2014, S. 6.)
Ja, das brutale Draufhauen ist sehr teuer, da bleibt für das nachträgliche Verteilen von Heftpflastern kaum noch Geld übrig. Sowohl das Kriegsgerät als auch die Heftpflaster werden aus dem Mehrwert bezahlt, den wir, das Weltproletariat, produzieren. Das humanitäre Mäntelchen der imperialistischen Allianz gegen den IS ist also eine einzige Kriegslüge! Diese Melodie ist nicht gerade neu. Das klassische Beispiel, imperialistische Eroberungen und Gemetzel in den Mantel einer „humanitären Befreiung“ zu hüllen, stellt der Zweite Weltkrieg dar. Noch heute hüllt der Antifaschismus die US-ImperialistInnen, die in Japan ein atomares Massaker organisierten, und den sowjetischen Imperialismus, der sich ganz Osteuropa unter dem Nagel riss und das Proletariat Osteuropas hart ausbeutete sowie brutal massakrierte, wenn es sich wehrte, in die Rolle der edlen antifaschistischen Befreier! Die antifaschistischen „Befreier“ bombardierten nicht die Zufahrtswege nach Auschwitz, sondern ZivilistInnen in Deutschland. Nein, für uns ist Hiroshima nicht das kleinere Übel zu Auschwitz. Auschwitz und Hiroshima sind beide nicht gegeneinander zu relativieren, sie sind beide ein Ausdruck für das imperialistische Massaker des Weltkapitals. Auch die zivilen Opfer des US-Luftkrieges gegen den IS in Syrien und im Irak sind für uns keine kleineren Übel gegenüber den Massakern des IS. Der US-Imperialismus ist mit seinen CIA-Folterknechten genauso ein Ausdruck der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei wie die Islamisten. Gegenseitige Leichenaufrechnerei ist die ekelhafte Masche aller Fraktionen des Weltkapitals. Dieses widerliche Schauspiel soll nur davon ablenken, dass alle Toten des imperialistischen Krieges die Opfer des Weltkapitals bei dem konkurrenzförmigen Streben seiner verschiedenen Fraktionen nach Maximalprofit, polit-ideologischen Masseneinfluss und geostrategischen Positionen sind. Wer wirklich antikapitalistisch sein will, muss sowohl den IS als auch die mit dem US-Imperialismus kooperierenden PKK und PYD konsequent bekämpfen! Hier müssen wir in erster Linie gegen den bundesdeutschen Imperialismus kämpfen, der Teil der Allianz gegen den IS ist!
Da der kurdische Nationalismus Teil der gleichen imperialistischen Allianz ist wie der deutsche Nationalstaat, nutzen dies große Teile der prokurdischen politischen Linken in diesem Land dazu, um der deutschen Bourgeoisie richtig tief in den Arsch zu kriechen. Und wer führt in der Disziplin des Arschkriechens?! Richtig, nicht unerhebliche Teile der Linkspartei!
In der jungen Welt vom 18. Dezember 2014 konnten wir über die Reaktion der Linkspartei über den Plan des deutschen Imperialismus kurdische Peschmerga-Nationalisten im Irak durch BundeswehrsoldatInnen ausbilden zu lassen lesen: „Die Linke, größte Oppositionsfraktion im Bundestag, kritisiert die Waffenlieferungen aus der BRD in den Nordirak und die geplante Entsendung von 100 Soldaten ,als puren Aktionismus‘. Die Bundesregierung habe ,keinerlei Konzept‘ im Irak-Konflikt, so Jan von Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion. ,Um den so genannten Islamischen Staat (IS) zu stoppen, haben Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier andere Möglichkeiten: die Finanzierungsquellen des IS austrocknen, den Zufluss von Kämpfern und Waffen stoppen und Druck auf die Türkei ausüben, damit diese endlich ihre doppelbödige Politik gegenüber dem IS beendet.‘ Soldaten in den Irak zu schicken sei ,brandgefährlich und unverantwortlich‘. Die Allianzen in dem Krieg seien ,brüchig‘ und ,schwerste Menschenrechtsverletzungen – auch bei den Gegnern des IS – sind an der Tagesordnung‘.
(Anmerkung von Nelke: Jemand, der dem deutschen Imperialismus „puren Aktionismus“ und „keinerlei Konzept“ vorwirft ist kein destruktiver Kritiker des Nationalstaates BRD wie wir proletarischen RevolutionärInnen, die diesen selbstverständlich zerschlagen wollen wie alle anderen Staaten auf dieser Welt. Nein, solche kleinbürgerlich-linken KritikerInnen sind konstruktiv. Deshalb geben sie dem deutschen Imperialismus gute Ratschläge wie er den IS stattdessen bekämpfen soll, was bis zur imperialistischen Einflussnahme auf die Türkei zugunsten des kurdischen Nationalismus reicht. Auch Gregor Gysi ist so ein konstruktiver Begleiter des deutschen Imperialismus, wie wir gleich sehen werden.)
Linksfraktionschef Gregor Gysi hält den Bundeswehreinsatz im Irak für verfassungswidrig. ,Die Bundesregierung kann sich weder auf einen Beschluss der UNO berufen, noch nicht einmal auf einen Beschluss der NATO, sie kann sich nicht auf ein Sicherheitssystem berufen, auf gar nichts‘, sagte er der Agentur dpa vor dem Kabinettsbeschluss zu der Mission am Mittwoch (17. Dezmebr 2014). Seine Fraktion behalte sich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vor.
Grundsätzlich will sich auch Gysi dem militärischen Training kurdischer Milizen durch deutsche Soldaten nicht verschließen. Das könne ja in Deutschland stattfinden, gibt dpa den Linke-Politiker wieder. Dann sollten aber Frauen und Männer aus allen Truppen ausgebildet werden, die in dem gesamten kurdischen Gebiet gegen den Islamischen Staat kämpfen.‘ Dem linken Flügel in der Partei macht er den Vorstoß schmackhaft mit dem Hinweis, dazu gehörten neben Christen und Jesiden auch die in Deutschland verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK und die syrische Schwesterpartei PYD.“ (Rüdiger Göbel, Ausweitung der Kampfzone, in: junge Welt vom 18. Dezember 2014, S. 3.)
Gysi ist sehr geschickt darin, die Befindlichkeit linker KleinbürgerInnen dafür zu nutzen, um sich und seine Partei immer tiefer in den deutschen Nationalstaat zu integrieren. Ohne eine sehr konstruktive Anpassung an den deutschen Imperialismus wird die Linkspartei nicht regierungsfähig. Das weiß Herr Gysi ganz genau. Deshalb verhält er sich zur Unterstützung des kurdischen Nationalismus durch den deutschen Imperialismus sehr konstruktiv. Aber die kurdischen NationalistInnen müssen doch nicht unbedingt im Irak ausgebildet werden! Bildet sie doch in Deutschland aus und die PKK und die PYD gleich mit! Das ist die Botschaft von Herr Gysi, der sehr gut weiß, dass PKK und PYD im Gegensatz zu den Peschmerga sehr beliebt bei linken KleinbürgerInnen sind. Also spielt er sehr erfolgreich mit deren Befindlichkeiten, um den deutschen Imperialismus ganz konstruktiv in den Arsch zu kriechen.
Der rechte Flügel der Partei hat es sich dort schon sehr gemütlich gemacht. Als die Schlacht zwischen dem syrisch-kurdischen Nationalismus und dem IS um Kobani tobte, nutzte dass der rechte Flügel der Linkspartei für einen Versuch aus, die Partei direkt in die imperialistische Allianz gegen den IS zu integrieren. Der offen das syrische Assad-Regime unterstützende „Antiimperialist“ Rüdiger Göbel schrieb über die Versuche des rechten Flügels der Linkspartei diese direkt zum Lautsprecher des westlichen Imperialismus in Syrien zu machen:
„Mit ihrem Aufruf ,Kobani retten!‘ haben 14 prominente Linke-Politiker, darunter zwölf Bundestagsabgeordnete, in der vergangenen Woche (Anfang Oktober 2014) einen erneuten Versuch gestartet, die friedenspolitischen Grundsätze ihrer Partei zu entsorgen. Gegen den ,barbarischen Feldzug‘ der Miliz ,Islamischer Staat‘ (IS) in Syrien und im Irak sei ein militärisches Vorgehen notwendig und richtig, bekunden die Unterzeichner – zu denen die stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch und Jan Korte, der Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich, sowie Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau gehören.
An der ,Basis‘ wird jetzt Unterstützung organisiert. Der Aufruf ,Solidarität mit den Kurden und religiösen Minderheiten in Syrien und im Irak. Ja zu militärischer Hilfe und Waffenlieferungen‘ versucht, dem Ganzen ein linkes Mäntelchen umzuhängen. Die Initiative werde im Internet bereits von 160 Einzelpersonen unterstützt, ,hinzu kommen 40 weitere Einzelpersonen, die dies offline uns mitgeteilt haben‘, erklärte am Wochenende der Berliner Linke Sascha Schlenzig. Ziel der Kampagne sei, noch im Oktober über 1000 Unterstützen zu gewinnen, ,vornehmlich aus dem Spektrum der Mitgliedschaft und Sympathisanten der Partei Die Linke‘. Damit solle der Druck verstärkt werden, ,sich unserer Position anzuschließen‘ – die da lautet: ,Die Linke soll ihre pazifistische Grundhaltung überdenken.‘ Schlenzig, im Internet ob der Vielzahl seiner Kommentare berüchtigt und gefürchtet als ,Power-Poster‘, ist Vorsitzender des Ortsverbandes der Linken in Pankow-Nordost. Früher agierte er als Sascha Kimpel im ,Revolutionär-Sozialistischen Bund‘ (RSB) und der ,Internationalen Sozialistischen Linken‘ (ISL), die beide zur trotzkistischen ,Vierten Internationale‘ gehören, jetzt macht er Werbung für Parteirechte. ,Stefan Liebich steht auf der richtigen Seite. An der Seite der Kurden‘, wird da etwa per Facebook das Mitglied der elitären ,Atlantik-Brücke‘ gefeiert. (…)
Die Linke sei in ihrem Programm keineswegs auf eine pazifistische Grundhaltung festgelegt, behauptet Schlenzig, und rechtfertigt damit seinen Vorstoß für Waffenlieferungen und ,Militärhilfe‘ an kurdische Gruppen im Irak und in Syrien. ,Der Krieg gegen den IS‘ stehe erst am Anfang, und es gebe bisher ,kein überzeugendes Szenario‘ wie die Dschihadisten ,ohne Waffengewalt und Unterstützung des Westens zurückgedrängt und besiegt werden‘ können. ,Die kurdischen Organisationen fordern eine Intensivierung des Engagements des Westens‘, heißt es beim Pankower Interventen weiter. (Anmerkung von Nelke: Prokurdisch und zugleich pro-westlich-imperialistisch zu sein ist seit der kurdisch-imperialistischen Allianz gegen den IS kein Widerspruch, im Gegensatz zu dem unsäglichen Spagat zwischen einer prokurdischen und einer gleichzeitigen angeblichen „antiimperialistischen“ Haltung, wie wir weiter unten noch ausführen werden.) Und: ,Die Linke erklärt sich zwar solidarisch mit dem Kampf der Kurden, schreckt jedoch vor der Unterstützung der militärischen Aktionen der USA und der Anti-IS-Koalition zurück. Dieser Widerspruch wird sich mit zunehmender Dauer gegen die Partei Die Linke wenden.‘
,Appell der 200‘ hat Fitness-Lehrer Schlenzig hochtrabend den Versuch übertitelt, das Linke-Programm mit Verweis auf den Kampf und das Leiden der Kurden zu schleifen und die Partei auf Regierungstauglichkeit zu trimmen. Den Wankenden in der eigenen Partei wird erklärt: ,Die Tatsache, dass die Mitverursacher dieser Situation im Irak, die USA und Großbritannien wieder Kriegsparteien sind, lässt viele zweifeln, ob es richtig ist, sich mit dem Kampf der Kurden zu solidarisieren. Wir alle wissen, welche Rolle die USA und Großbritannien in den letzten zehn Jahren im Irak gespielt haben. Und dass viele westliche Länder, einschließlich Deutschland, in vielen Regionen dieser Welt aufgrund ihrer militärischen Präsenz, ihrer Rüstungsexporte und ökonomischen Interessen eine Politik betreiben, die wir ablehnen. Doch wir nehmen zur Kenntnis, dass die USA, Großbritannien, Frankreich und viele andere Länder der Anti-IS-Koalition in der konkreten Situation der Bedrohung durch den IS etwas Richtiges machen: den Kurden und der irakischen Bevölkerung beiseite zu stehen. Denn auch wir finden es richtig, den IS militärisch aus der Luft und am Boden zu bekämpfen.‘
Mit der Mehrheit der Rüstungsexporte würden in der Regel Unterdrückung und das Töten unschuldiger Menschen legitimiert. In diesem Fall sei das nicht so. ,Aus diesen Gründen sind wir der Auffassung, dass es richtig ist, dass die CDU-SPD-Regierung sich für Waffenlieferungen an die Kurden entschieden hat. Diese Waffen sollen den von dem IS-Terror bedrohten Menschen helfen. (…) Ein Erfolg der Kurden und der mit ihnen Verbündeten FSA (Freie Syrische Armee, jW) gegen den IS kann auch das Assad-Regime ins Wanken bringen. Denn es war nicht zuletzt Assad, der nicht nur sein Volk massakriert und Millionen in die Flucht geschlagen hat, sondern auch den IS so stark hat werden lassen.‘ (…)
Der letztgenannte Unsinn wird auch von Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und Mitglied des Parteivorstands, vertreten. (Anmerkung von Nelke: Rüdiger Göbel meint mit „Unsinn“ die Anti-Assad-Haltung und die Unterstützung der bewaffneten syrischen Opposition – außer dem IS und andere offen islamistische Gruppierungen – durch Frau Buchholz. Doch die Unterstützung von angeblich „gemäßigten“ bewaffneten syrischen oppositionellen Gruppierungen wie der FSA ist eine indirekte Unterstützung des US-Imperialismus durch Buchholz. Zu einer direkten Unterstützung des Imperialismus kann sie sich allerdings nicht durchringen. Als „Antiimperialist“ nimmt der Autor Rüdiger Göbel selbst eine Pro-Assad-Haltung ein. Nun, wir unterstützen weder das Assad-Regime noch die syrische (klein)bürgerliche Opposition – nicht die bewaffnete und auch nicht die nationalpazifistisch-demokratische. Wir stehen an der Seite des syrischen Proletariats, was zurzeit leider Objekt des imperialistischen Krieges aber noch nicht Subjekt des Klassenkampfes ist. Damit morgen das Proletariat in Syrien und weltweit zu einem bewussten klassenkämpferischen Subjekt wird, müssen wir heute alle Nationalismen – also auch den kurdischen –kompromisslos bekämpfen. Und in diesem Fall ist es kein Unsinn, wenn Frau Buchholz und auch der offen proimperialistische Flügel der Linkspartei behaupten, dass die Repression des Assad-Regimes auch den IS stark gemacht hat.) Am Wochenende hatte die Linke-Politikerin (Buchholz), deren Netzwerk ,Marx 21‘ in der Vergangenheit in der Partei ganz im Sinn der Aufständischen argumentiert hatte, allerdings nicht deshalb für Negativschlagzeilen gesorgt, denn mit der ,linken‘ Sicht liegt sie ja ganz im Mainstream. Häme, Hohn und Hass erntete die Linke (Buchholz), weil sie –im Gegensatz zu Bartsch, Liebich, Schlenzig und Co. – ein Ende der Luftangriffe in Syrien und im Irak gefordert hatte. ,Über Sieg und Niederlage im Krieg entscheidet nicht die bloße militärische Stärke‘, so Buchholz. ,Es handelt sich um eine soziale Frage. Die US-Luftbombardements haben den IS politisch gestärkt. Denn zahlreiche Syrer, die in den vom Assad-Regime befreiten Gebieten leben, fühlen sich durch sie bedroht.‘ Die US-Luftbombardements hätten in Syrien allein in der ersten Woche mindestens 22 Zivilisten getötet und die Getreidespeicher der Stadt Manbidsch in der Provinz Aleppo zerstört. In derselben Woche habe der IS 200 neue Kämpfer gewinnen können. ,Diese Entwicklung droht die Reste der Revolution zu zerstören, die 2011 gegen das Assad-Regime begann.‘ Der ,Islamische Staat‘ könne nur geschlagen werden, ,wenn er innerhalb der sunnitischen Bevölkerung im Irak und Syrien auf massiven Widerstand stößt‘. ,Luftangriffe durch imperialistische Staaten sind diesbezüglich kontraproduktiv.‘ Hingegen helfe der Widerstand der Kurden. Denn damit ermutigen sie alle, gegen Unterdrückung zu kämpfen – ob durch den IS oder die Regime in Syrien und Irak.
(Anmerkung von Nelke: Frau Buchholz eiert herum, weil sie den bewaffneten kurdischen Nationalismus unterstützt, genauso wie sie davor die bewaffnete syrische Opposition unterstützt hatte – und dennoch nicht direkt die westlichen Imperialismen in Syrien unterstützen will. Nun, Kräfte direkt zu unterstützen, die mit dem westlichen Imperialismus direkt verbündet sind, heißt indirekt mit dem einheimischem Imperialismus verbündet zu sein. So kann Frau Buchholz natürlich nicht den US-Krieg als imperialistischen grundsätzlich kritisieren. Sie bezeichnet ihn schwammig als „kontraproduktiv“ und mäkelt an ihm herum, dass er seinen eigenen propagandistisch verkündeten Zielen nicht gerecht wird. Für den mit dem US-Imperialismus verbündeten kurdischen Nationalismus hat sie dagegen warme Worte. Progressiv zerschlagen werden kann der IS genau wie der kurdische Nationalismus – den letzteren will Frau Buchholz natürlich nicht zerschlagen – nur durch das klassenkämpferisch-revolutionäre Proletariat und nicht durch eine klassenneutrale „Bevölkerung“, wie Frau Buchholz meint. Interessant ist auch, dass sie den BürgerInnenkrieg in Syrien, in dem das Proletariat und das KleinbürgerInnentum im Konkurrenzkampf verschiedener Fraktionen des syrischen und des Weltkapitals verheizt werden, als „Revolution“ bezeichnet. Die junge Welt nahm dagegen eine ablehnende Haltung gegen die bewaffnete syrische Opposition ein, die verschiedenen AutorInnen dieser linksbürgerlichen Zeitung schwankten zwischen einer Pro-Assad-Haltung und der Unterstützung der nationalpazifistisch-demokratischen Opposition in Syrien. Doch beide Kräfte waren und sind bürgerlich, verschiedene politische Fraktionen des syrischen Nationalkapitals. Aber mit dieser Haltung konnte sich die junge Welt noch stark vom einheimischen Imperialismus abgrenzen. Seid jedoch auch der von der Zeitung unterstützte kurdische Linksnationalismus Teil der imperialistischen Allianz gegen den IS ist, geriet auch die junge Welt im Verhältnis zum westlichen Imperialismus auf die schiefe Bahn, wie wir weiter unten noch ausführen werden.)
(…) Klartext kam da am Wochenende vom früheren Linke-Vorsitzenden Oskar Lafontaine in einem Gastbeitrag des Tagesspiegel (,Gegen den globalen Interventionismus von USA und NATO!‘). (Anmerkung von Nelke: Jetzt folgt eine Lobesarie auf den alten Sozialdemokraten Lafontaine, zu der wir nur einen Kommentar abgeben wollen: Lafontaine kritisiert Deutschland hauptsächlich als Vasal des US-Imperialismus, der eigenständige Imperialismus der BRD bleibt bei ihm weitgehend ausgeblendet.) ,Wer heute US-geführte Militäreinsätze in der Welt mit eigenen Truppen oder mit Waffenlieferungen unterstützt, lässt sich in eine US-Außenpolitik einbinden, die seit dem Zweiten Weltkrieg eine Blutspur mit Millionen Toten um den Erdball gezogen hat. Es geht bei den Diskussionen um die Beteiligung der Bundeswehr an den Militärinterventionen der letzten Jahre nicht in erster Linie darum, Menschenleben zu retten, sondern im Kern um die Frage, ob die Bundeswehr diese Außenpolitik der USA zur Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten unterstützt.‘ Das immer wieder vorgebrachte Argument, man könne nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen leiden und sterben – auch im ,Appell der 200‘ und in ,Kobani retten!‘ ist davon die Rede – sei, so Lafontaine, ,heuchlerisch und verlogen‘. Die ,westliche Wertegemeinschaft‘ sieht täglich mehr oder weniger tatenlos zu, wie Menschen verhungern und an Krankheit sterben.‘
Lafontaine erinnert an die Maxime im Grundsatzprogramm: ,Die Linke ist eine internationalistische Friedenspartei, die für Gewaltfreiheit eintritt.‘ Diese gelte, auch wenn ,seit Jahren Gregor Gysi und einige von den Medien als ,Reformer‘ gewürdigte Politiker der Linken‘ versuchten ,das Vermächtnis von Karl Liebknecht aus der Programmatik zu entsorgen‘. Dabei schielten sie auf eine Regierungsbeteiligung in einer rot-rot-grünen Regierung.
Für eben dieses Ziel, muss man zugespitzt sagen, würde so mancher in der Linken bis zum letzten Kurden kämpfen. Am Ende wäre die einzige Friedens- dann auch Systempartei.“ (Rüdiger Göbel, An der Seite der Kurden?, in: junge Welt vom 15. Oktober 2014, S. 3.)
Nun ja, „Friedenspartei“ ist die Linkspartei nur deshalb noch, weil sie es noch nicht geschafft hat auf Bundesebene regierungsfähig zu sein, woran der rechte Flügel aber tagtäglich arbeitet. Außerdem ist der bürgerliche Frieden, den die Linkspartei hochhält, keine Alternative zum imperialistischen Krieg sondern Teil des Klassenkrieges der Bourgeoisie gegen das Proletariat, wie wir weiter oben schon ausführten. Die einzige Alternative zu bürgerlichen Frieden und imperialistischen Krieg ist der revolutionäre Klassenkampf des Proletariats. Doch der BürgerInnenkrieg und die imperialistische Einmischung in Syrien haben das dortige Proletariat zwischen dem Hammer des Assad-Regimes und den Amboss der Islamisten weitgehend als handlungsfähige Klasse zerschlagen. Die militärische Zerstörung und Plünderung vieler syrischer Betriebe hat auch die sozialökonomische Grundlage des Klassenkampfes stark verschlechtert. SozialrevolutionärInnen bleiben auch in solchen Situationen von allen (klein)bürgerlichen Kräften, zu denen PazifistInnen, alle NationalistInnen und alle Imperialismen gehören, unabhängig. Proletarische RevolutionärInnen können sich nur im sich radikal verschärfenden Klassenkampf wie Fische im Wasser fühlen, im blutigen Amoklauf der Nationalismen sind sie wie einsame Rufer in der Wüste. Doch auch dieser Zustand muss aus- und durchgehalten werden.
Nun, auch diejenigen nichtpazifistischen Teile der kleinbürgerlichen Linken, die den syrisch-kurdischen Nationalismus unterstützen aber auch weiterhin so tun wollen, als würden sie den einheimischen bundesdeutschen Imperialismus konsequent bekämpfen, haben es natürlich nicht leicht in einer Zeit, in der die BRD, die PKK und die PYD objektiv Verbündete in einer von den USA geführten imperialistischen Allianz gegen den IS und das Weltproletariat sind. Eine Zeitlang konnten sie auf dem Unterschied zwischen dem politisch-konservativen irakisch-kurdischen Nationalismus und den kurdischen Linksnationalismus in der Türkei und Nordsyrien herumreiten. Doch als sich die kurdischen Nationalismen aus Nordsyrien und dem Nordirak im imperialistischen Konflikt gegen den IS tatkräftig-bewaffnet vereinten, war auch dieser Gaul totgeritten. Zurzeit besteht der radikalere Teil der zugleich prokurdischen und „antiimperialistischen“ Linken darauf, dass die westeuropäischen Imperialismen und der US-Imperialismus außer den Luftschlägen nicht unmittelbar-direkt mit Bodentruppen in Nordsyrien eingreifen sollen, sondern der PYD bei ihrem Kampf helfen soll. Die kleinbürgerliche politische Linke sammelt auch selbst fleißig Geld für „Waffen für Rojava“.
Geld einsammeln für die weitere Bewaffnung des syrisch-kurdischen Nationalismus – dass ist also die reale Politik jener linken KleinbürgerInnen, die nicht ganz so offensichtlich die imperialistische Allianz gegen den IS für die Integration in das deutsche Nationalkapital ausnutzen wollen. Schön, dass die linken KleinbürgerInnen nicht nur meckern, sondern auch konstruktiv den Absatzmarkt für das Rüstungskapital erweitern! Die Bewaffnung der staatsförmigen Strukturen des syrisch-kurdischen Nationalismus ist aber nicht gelichbedeutend mit der bewaffneten Selbstorganisation der kleinbürgerlichen und proletarischen Zivilbevölkerung gegen den Terror des IS. Bis jetzt hat sich noch jeder Nationalismus gegen das klassenkämpferische Proletariat gewandt. Das Proletariat muss sich auf seinem langen und harten Weg der Selbstbefreiung selbständig bewaffnen gegen alle bürgerlichen Nationalismen. Doch die linken KleinbürgerInnen in den kapitalistischen Metropolen helfen immer wieder dabei, Nationalismen im Trikont zu bewaffnen. Damals unterstützten sie solche Nationalismen, die vorübergehend gegen westeuropäische Imperialismen und den US-Imperialismus kämpften – aber von Anfang an absolute Klassenfeinde des Proletariats waren, die nichts anderes anstrebten als einen eigenständigen privat- oder staatskapitalistischen Nationalstaat zu schaffen, um die nationale Lohnarbeit ausbeuten zu können. Heute unterstützt die kleinbürgerliche politische Linke den kurdischen Linksnationalismus – der sich in die von den USA geführte imperialistische Allianz gegen den IS einreihte. Damit steht die „antiimperialistische“ und zugleich prokurdische Linke indirekt mit dem Imperialismus in einer gemeinsamen Front gegen den IS – und das Weltproletariat. Um vor sich selbst und den ProletarierInnen die reaktionäre Rolle, die sie spielt, zu verbergen, färbt sie den stinknormalen bürgerlichen syrisch-kurdischen Nationalismus knallrot, wie wir weiter oben schon dargestellt haben.

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