Vortrag bei der Literaturmesse

Wir veröffentlichen hier den Vortrag, der auf der Li­te­ra­tur­mes­seim im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus“ in Nürnberg, den 3. November 2012 gehalten wurde.

Kurze Vorstellung der Broschüre

Die Broschüre Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus wurde von uns im Februar 2012 herausgebracht. Unmittelbarer Anlass für sie war das Offensichtlichwerden der gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen Teilen des demokratischen Staatsapparates mit Nazis, durch die Geschichte um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Aber diese Broschüre geht inhaltlich weit über die aktuellen Ereignisse hinaus und macht deutlich, dass die Demokratie als Diktatur des Kapitals ein rein taktisches Verhältnis zu Nazis und Antifaschismus hat. Sie kritisiert auch scharf die drei Hauptformen des Antifaschismus, nämlich den demokratischen Staatsantifaschismus, den partei-„kommunistischen“ Antifaschismus und die Antifa als kleinbürgerliche politische Straßenbewegung. Und sie macht deutlich, dass es unmöglich ist mit Hilfe des Antifaschismus konsequent den Kapitalismus zu kämpfen. Zur Kritik des Antifaschismus noch im Voraus ein paar Bemerkungen. Wir kritisieren den Antifaschismus als groß- und kleinbürgerliche Politik und Ideologie, aber diese Kritik ist keine Absage an konkrete praktische Aktionen gegen Nazis, wo diese notwendig sind. Nur sollte dieser Kampf halt aus unserer Sicht ohne Antifa-Ideologie erfolgen.


Der demokratische Staat hält sich ein paar Hausnazis

Der NSU war auch nach Fertigstellung der Broschüre noch lange Thema der veröffentlichten Meinung. Vieles wussten wir noch nicht, als wir sie schrieben. Doch unsere Analyse wurde nachträglich bestätigt. Hier ein paar Zitate. Als wir die Broschüre schrieben, war das ganze Ausmaß der geheimdienstlichen Durchdringung des Thüringer Heimatschutzes, der Neonaziorganisation aus der auch die späteren NSU-AktivistInnen kamen, uns noch unbekannt. Doch das was wir wussten, reichte aus, um folgendes festzustellen:

„Schon bevor das Neonazitrio in den Nationalsozialistischen Untergrund ging, war es unter relativ guter demokratischer Kontrolle. Begonnen hatten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe ihre faschistische Aktivität im Thüringer Heimatschutz (THS), welche von deutschen GeheimdienstlerInnen an der langen Leine geführt wurde. Während die Neonazis die schöne thüringische Heimat schützten, sorgten die Geheimdienste dafür, dass die Interessen der Demokratie innerhalb der Neonaziszene gewahrt blieben. Schon bei der Durchsetzung des THS durch die Inlandsgeheimdienste kann von einer gelegentlichen demokratisch-neofaschistischen Kooperation ausgegangen werden.“

Die so genannte parlamentarische Aufarbeitung der NSU-Geschichte stand bei Redaktionsschluss der Broschüre noch ganz am Anfang. Doch es war vorauszusehen, was dabei herauskommen würde. Wir schrieben damals:

„Die eingerichtete parlamentarische Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages wird wahrscheinlich auch mehr zur Verschleierung als zur Aufklärung der Vefassungsschutz-NSU-Zusammenarbeit beitragen.

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind eine der Techniken mit denen die Demokratie ihren totalitären Herrschaftscharakter verbirgt, aber bei genauerer Analyse eben auch offenbart. Denn wer sitzt ausschließlich in den parlamentarischen Untersuchungssauschüssen? BerufspolitikerInnen. Diese soziale Schicht überwacht in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen also sich selbst und den Staatsapparat. Lassen wir uns nicht davon täuschen, dass neben den RegierungspolitikerInnen auch jene der Opposition die Geschichte der NSU-Verfassungsschutz-Zusammenarbeit untersuchen sollen. Es gehört zu den Herrschaftstechniken der Demokratie dass ein Teil der sozialen Schicht der BerufspolitikerInnen regiert, während der andere Teil konstruktive Opposition spielt. Aber sowohl Regierungs- als auch OppositionspolitikerInnen sind gleichermaßen privilegiert, dass sie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Kapitalismus gestalten. Hohe Regierungs- und OppositionspolitikerInnen sind neben KapitalistInnen und ManagerInnen sowie den Spitzen der zivilen und militärischen Staatsapparate selbst Teil der herrschenden kapitalistischen Klasse, der Bourgeoisie. Und die Bourgeoisie dieses Landes hat kein Interesse daran, dass die teilweise doch recht enge Zusammenarbeit zwischen Teilen ihres Staatsapparates und den von diesem ausgehaltenen Nazis zu offensichtlich wird. Die veröffentlichte Meinung hat schon den engen Rahmen der parlamentarischen Untersuchung vorgegeben: Untersucht werden sollen „Fehler und Versäumnisse von Bundesbehörden“ und „Kommunikationsprobleme“ zwischen den Geheimdiensten und den verschiedenen Polizeien, die sich die Bourgeoisie auf Bundes- und Landesebene so hält. Die Zusammenarbeit zwischen Nazis und DemokratInnen soll also vertuscht und nicht aufgeklärt werden.

Denn eines steht trotz vieler Unklarheiten jetzt schon fest: All die oben genannten Fakten zeigen klar, dass der demokratische Staat nicht auf dem rechten Auge blind ist. Er sieht genau hin, wenn er faschistische Strukturen mitfinanziert und mitorganisiert. Der Staat hält sich ein paar Hausnazis.“


Die Nazis als rechter Flügel der bürgerlichen Politik

Die Nazis bilden den rechten Flügel der bürgerlichen Politik. In den 1930er Jahre brachte die deutsche Bourgeoisie die Nazis an die Macht. Sie transformierten dabei ganz legal die Demokratie zum Nationalsozialismus, der deutschen Variante des Faschismus.

Auch wenn die Mehrheit der deutschen Bourgeoisie heute die Nazis nicht mehr an der Macht haben will, gebraucht sie diese trotzdem noch als SchlägerInnen- und MörderInnenbanden, die aus der „nationalen Opposition“ agieren können. Wer ernsthaft und konsequent gegen Nazis kämpfen will, muss gegen Kapital und Staat kämpfen. Der Kampf gegen Nazis wird dadurch zu einem Teil des antikapitalistischen Kampfes. Wer diesen Schritt geht, bewegt sich vom Antifaschismus weg zu sozialrevolutionären Positionen. Der Bruch mit dem Antifaschismus als Politik und Ideologie ist eine absolute Notwendigkeit, weil dieser nur der linke Flügel der bürgerlichen Politik darstellt.

Wo es darum geht, den Nazis unabhängig vom und gegen den Staat handfeste Niederlagen zu bereiten, sind wir dabei. Doch gegen jene breiten antifaschistischen Bündnisse, die in erster Linie Propagandaveranstaltungen für die Demokratie organisieren, führen wir einen konsequenten Klassenkampf. Gegen Nazis und DemokratInnen ist militanter proletarischer Widerstand notwendig! Zentrum des proletarischen Widerstandes ist der kapitalistische Produktionsprozess, welcher durch direkte Aktionen empfindlich gestört werden kann und muss. Aber der Sozialreaktion muss auch auf der Straße entgegen getreten werden.

Der demokratische Staat ist zurzeit ein weit gefährlicherer – weil wirksamerer –Feind des klassenkämpferischen Proletariats als die Nazis. SozialrevolutionärInnen orientieren auf seine Zerschlagung bei der Überwindung des Kapitalismus. Die soziale Revolution ist eine Möglichkeit, die sich aus der Zuspitzung des Klassenkampfes ergeben kann. Eine Möglichkeit, die schon jetzt gut vorbereitet sein will, wenn sie irgendwann mal Realität werden soll. Trotz des revoluzzerhaften Gehabes von Teilen der Antifa ist diese als politische Straßenbewegung, welche in den Betrieben so gut wie nicht verankert ist, objektiv nicht dazu in der Lage, die soziale Revolution vorzubereiten. Selbstverständlich wird die Antifa auch nicht den subjektiven Anforderungen an eine revolutionäre Kraft gerecht. Behauptungen aus den Tiefen der Antifa, dass der Verfassungsschutz „undemokratisch“ sei und deshalb von den demokratischen Politbonzen aufgelöst werden müsse, belegen dies deutlich. Denn der Verfassungsschutz ist Teil des Schildes und Schwertes des bürgerlichen Staates gegen das Proletariat. Nur die soziale Revolution kann die deutschen Geheimdienste und die Naziorganisationen zerschlagen. Demokratieverherrlichendes Gelaber und reformistische Forderungen an den Staat – also das Alltagsgeschäft der Antifa – hemmen die Radikalisierung des Klassenkampfes und wirken deshalb grundsätzlich antirevolutionär. Während sich der Kapitalismus mittels Staatsapparaten und Nazihorden immer besser gegen das Proletariat bewaffnet, nimmt die Antifa an der ideologischen Einlullung und Entwaffnung des Proletariats teil. Drei Kräfte gegen das Proletariat: Der Staat, die Nazis und der Antifaschismus.

Revolutionäre Kritik des Antifaschismus

Viele „radikale“ Antifas –manche durchaus subjektiv ehrlich –geben sich „auch“ antikapitalistisch. Ihre Argumentation, mit Hilfe des Antifaschismus „auch“ den Kapitalismus bekämpfen zu wollen, kommt durch den sehr beliebten Demoslogan zum Ausdruck: „Hinter dem Faschismus steht das Kapital! Bekämpfen wir es international“ Diese Losung ist nur halb richtig, beinhaltet aber die ganze Selbsttäuschung der „radikalen“ Variante des Antifaschismus.

Klar, manchmal stand und steht das Kapital auch hinter dem Faschismus, aber nicht selten stand und steht das Kapital auch hinter dem Antifaschismus. Und der Antifaschismus als materiell wirksame Gewalt stand und steht immer auf Seiten des Kapitals! Damit meinen wir natürlich nicht die autonome Antifa, die als kleinbürgerliche politische Straßenbewegung mehr ihre soziale Ohnmacht als Macht demonstriert. Auf die kommen wir nachher noch mal zurück.

Also kommen wir zum Antifaschismus als materielle Gewalt des Kapitals. Mensch kann historisch zwei Grundvarianten unterscheiden: den privatkapitalistisch-demokratischen Antifaschismus und den staatskapitalistisch-partei-„kommunistischen“ Antifaschismus. Der erste ist offizielle Staatsideologie Deutschlands. Es ist interessant, dass die so genannten „Antideutschen“ die Grundideologie des deutsch-nationalen Antifaschismus aufsogen wie der Schwamm das Schmutzwasser.

Hauptzweck des privatkapitalistisch-demokratischen Antifaschismus ist es, die historische und aktuelle Rolle der Nazis als rechten Flügel der bürgerlichen Politik zu verschleiern und zu maskieren. Dabei bekommt er Schützenhilfe von einem Haufen kleinbürgerlicher AntifaschistInnen, von denen einige sich sogar antikapitalistisch geben.

Eine Ideologie des demokratischen Antifaschismus war und ist die Kollektivschuldthese. Wenn alle Schuld sind, ist irgendwie auch keiner richtig Schuld – außer ein paar Obernazis. Überhaupt ist die Kollektivschuldthese die nachträgliche Bestätigung der faschistischen Ideologie von der „Volksgemeinschaft“. Doch auch die faschistische Gesellschaft war in Klassen gespalten. Hauptsächlich verantwortlich für die faschistische Politik waren die KapitalistInnen, ManagerInnen, die hohen Nazibonzen, BeamtInnen und Militärs. Natürlich haben auch die zahlreichen MitläuferInnen den Naziterror möglich gemacht und profitierten auch von ihm –aber absolut und relativ wenig im Vergleich zur herrschenden kapitalistischen Klasse. Diese wendete sich nach dem Zweiten Weltkrieg und gab sich ein demokratisches Gesicht. Die Kollektivschuldthese soll also verschleiern helfen, dass die herrschende Klasse des heutigen demokratischen Deutschlands historisch gesehen die ehemalige Bourgeoisie des faschistischen Deutschlands ist. Nachdem die alten braunen Säcke nicht mehr wirtschaftlich aktiv und/oder im Amt und Würden sind und friedlich das Zeitliche gesegnet haben, kommt der offizielle demokratische Antifaschismus auch mit weniger alten Widersprüchen aus. Bei Geheimdienst-„Pannen“ wie der aktuellsten ergeben sich natürlich neue Widersprüche.

Diese Kollektivschuldthese kippt natürlich im deutsch-nationalen Antifaschismus in eine ekelhafte Kollektivopferpose um. Denn wer war das Hauptopfer des Naziterrors? Natürlich „die“ braven Deutschen, die dadurch so eine schwere Last zu tragen haben. Ach, hat „der/die“ Deutsche es schwer, sich zu seiner/ihrer Nation zu bekennen! Das offizielle demokratisch-antifaschistische Deutschland suhlt sich geradezu im Nationalmasochismus. Es leidet schwer und fühlt sich wohl beim Leiden – und spätestens beim stolzen Bekenntnis zum demokratischen Deutschland ist das wohlige Leiden zum Höhepunkt gebracht und gleichzeitig aufgehoben. Sich für das nationalsozialistische Deutschland zu schämen um auf das demokratische Deutschland stolz zu sein, das ist das Wesen des offiziellen Regierungsantifaschismus.

Die „Antideutschen“ suhlen sich auch im Nationalmasochismus. Doch ihr moralisches Leiden an Deutschland ist größer als der Deutsch-Nationalen. Es kann nicht mit einem stolzen Bekenntnis zum heutigen Deutschland moralisch seine Auflösung finden. Das „Antideutschtum“ steigert sich zum ideologischen Austritt aus der deutschen Nation – aber nur um sich selbst zum obersten Blockwart des Zionismus in Deutschland aufzuschwingen. Auch hier übertreiben die „Antideutschen“ den deutsch-nationalen Antifaschismus. Natürlich steht „der/die“ gute demokratische Deutsche von heute fest hinter Israel. Der antijüdische Massenmord wird wieder gut gemacht, indem „wir Deutschen“ den Israelis im nationalistischen Konkurrenzkampf gegen AraberInnen und PalästinenserInnen – wenn auch ein wenig „kritisch“ – helfen. Die „Antideutschen“ übertreiben dass dann in der Hinsicht, dass sie sich dem zionistischen Zwangskollektiv total unkritisch verbunden fühlen und dem deutschen Kollektiv ideologisch ganz die Treue aufkündigen. Aber sonst kommen moderne Deutsch-Nationale und „Antideutsche“ in ihrer Israelsolidarität bestens miteinander aus.

Diese bedingungslose Israel-Solidarität lassen sich die gründlichen Deutschen/ „Antideutschen“ auch nicht von Juden/Jüdinnen kaputt machen. Dieses reaktionäre Dreckspack wagt es, jüdische Menschen, die sich nicht vom Zionismus vereinnahmen lassen, rassistisch als „Alibijuden“ und „sich selbst hassende Juden“ zu beschimpfen. Wie damals zu Goebels Zeiten wollen also wieder Deutsche bestimmen, wer und was ein Jude ist! Die „Antideutschen“ sind die Sperrspitze des national-moralisierenden Antifaschismus, eigentlich demokratische Überdeutsche. Auschwitz, der Ort des kapitalistisch-industriellen Massenmordes, als Berufungsinstanz einer Politsekte, um den zionistischen und US-amerikanischen Massenmord zu rechtfertigen!

Das stumpfsinnige Gerede von der Singularität von Auschwitz soll dabei helfen, dass der Naziterror ja nicht mit der gesamten kapitalistischen Zivilisationsbarbarei in Verbindung gebracht wird. Dabei war Auschwitz als industrieller Massenmord kein Zivilisationsbruch, sondern der grausame Höhepunkt der kapitalistischen Zivilisationsbarberei. Doch der antifaschistische Moralismus ist da sehr biegsam. Während er die Singularität des Naziterrors betont um jede Parallelität mit den Massakern, welche die DemokratInnen organisierten und organisieren, zu leugnen, so wird doch „Nie wieder Auschwitz!“ manchmal zum demokratisch-antifaschistischen Kriegsschrei. So geschehen im Krieg gegen Serbien/Restjugoslawien 1999, wo die deutsche Bourgeoisie, also die demokratisch gewendete Bourgeoisie von Auschwitz, angeblich ein Auschwitz im Kosovo verhinderte.

Auch der partei-„kommunistische“ Antifaschismus war und ist ein Schutzschirm des Kapitals gegen das Proletariat – ungeachtet der Tatsache, dass viele subjektiv ehrliche KommunistInnen im Kampf gegen die Nazis alles gaben: Ihre Gesundheit und ihr Leben. Seine gegen den Kapitalismus gerichtete Theorie ist eine einzige ideologische Lüge! Zum einen, weil der partei-„kommunistische“ Antifaschismus dazu bereit ist, die privatkapitalistische Demokratie zu verteidigen – gegen Nazis und gegen die soziale Revolution! Doch darauf werden wir weiter unten noch ausführlicher zu sprechen kommen. Zum anderen, weil das, was den Partei-„Kommunismus“ vom Privatkapitalismus unterscheidet, eben nicht kommunistisch ist. Die nationalstaatliche „Vergesellschaftung“ der wichtigsten industriellen Produktionsmittel ist eben nicht antikapitalistisch. Verstaatlichte Produktionsmittel waren und sind nur verstaatlichtes Kapital. In den „sozialistischen“ Staaten herrschte in Wirklichkeit der Staatskapitalismus. Der untergegangene „Weltsozialismus“ war immer Bestandteil des Weltkapitals. Die proletarische Lohnarbeit wurde nicht von verschiedenen PrivatkapitalistInnen ausgebeutet, sondern von einem staatskapitalistischen Monopol und einigen übrig gebliebenen KleinbürgerInnen und -kapitalistInnen. Das war der Grund von SozialrevolutionärInnen gegen den Staatskapitalismus zu kämpfen, aber auch der Grund für das westliche Privatkapital, warum er einen erfolgreichen Kalten Krieg gegen den „realen Sozialismus“ führte.

In der staatskapitalistischen DDR war der Antifaschismus Staatsdoktrin. Nicht ehemalige Nazis – so wie in der BRD – organisierten die Ausbeutung des Proletariats, sondern alte AntifaschistInnen. In der DDR stand hinter dem Antifaschismus eindeutig das (verstaatlichte) Kapital! Alte und junge AntifaschistInnen, mögen den Unterschied zwischen dem Regierungspersonal in BRD und DDR ja für sehr bedeutsam halten. Für SozialrevolutionärInnen ist die Gemeinsamkeit, nämlich, dass beide Staaten bürgerlich-kapitalistisch waren und die Ausbeutung des Proletariats organisierten, wesentlich. In Antifa-Kreisen war und ist das Abfeiern –manchmal auch ein wenig „kritisch“ – der antifaschistisch-staatskapitalistischen DDR keine Seltenheit.

Im spanischen BürgerInnenkrieg (1936-1939) spielte der Moskauhörige partei-„kommunistische“ Antifaschismus die Rolle der Verteidigung des demokratischen Privatkapitalismus. Als die spanische Bourgeoisie mehrheitlich auf den gegen die Republik putschenden General Franco setzte, war für Stalin die Zeit gekommen den westlichen Demokratien seine konterrevolutionäre Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen. Moskau buhlte damals um die Gunst der Demokratien, um ein antifaschistisches Bündnis mit ihnen einzugehen. Doch Frankreich und Großbritannien verhielten sich im spanischen BürgerInnenkrieg offiziell neutral, was objektiv den Franco-Faschismus begünstigte. Der deutsche Nationalsozialismus und der italienische Faschismus unterstützten natürlich Franco Nur die UdSSR unterstützte die spanische Republik – gegen Franco und das Proletariat. In Spanien gab die Sowjetunion den imperialistischen Demokratien zu verstehen, dass sie ebenso gründlich mit der sozialen Revolution aufräumen konnte wie die FaschistInnen.

Gegen Franco und die soziale Revolution wurde in Spanien eine antifaschistische Volksfront-Regierung gebildet. Die Volksfront-Regierung bestand aus Liberalen, SozialdemokratInnen, StalinistInnen, der „eigentlich“ antistalinistischen und antikapitalistischen POUM und der „anarcho“-syndikalistischen CNT. Die StalinistInnen bekamen innerhalb der Volksfront einen immer größeren Einfluss. Klar, nachdem große Teile der spanischen und internationalen Bourgeoisie die Republik dem Abschuss freigegeben haben, war die staatskapitalistische UdSSR die einzig ernstzunehmende sozialökonomische Basis der Volksfront-Regierung.

Die sowjetische Geheimpolizei entfaltete ihren ganzen sozialreaktionären Terror in Spanien –gegen klassenkämpferische ArbeiterInnen und den linken Flügel der Volksfront (POUM und CNT). Gegen das Proletariat gewann die antifaschistische Volksfront. Deshalb unterlag sie auch 1939 gegen Franco. Nur der sozialrevolutionäre Kampf gegen Volksfront und Franco hätte das Proletariat retten können. Genau hier kommt die sozialreaktionäre Rolle des linken Flügels der Volksfront (POUM und CNT) zum tragen. Während der stalinistische Bluthund dem spanischen Proletariat tiefe Wunden biss, verteilten POUM und CNT Beruhigungspillen an das Proletariat und richteten moralisierende Appelle an die antifaschistischen Verbündeten, die offen konterrevolutionären StalinistInnen. Die letzteren bedankten sich bei POUM und CNT mit Terror. Die konsequente Konterrevolution vernichtet eben auch ihre inkonsequenten Bestandteile.

Die Rolle des partei-„kommunistischen“ Antifaschismus im Zweiten Weltkrieg war die eines Verteidigers, sowohl der privatkapitalistischen Demokratien als auch der staatskapitalistischen Sowjetunion. Bevor diese antifaschistische Allianz der mächtigsten Demokratien (USA, Großbritannien, Frankreich) mit der staatskapitalistischen UdSSR sich ab 1941 mörderisch entfalten und zu einem Bombenerfolg entwickeln konnte, wurden von allen Beteiligten noch emsig ökonomische und politische Geschäfte mit den Nazis abgewickelt. Tja, das Weltkapital pflegte und pflegt halt zu Faschismus und Antifaschismus ein rein taktisches Verhältnis. So wie Großbritannien und Frankreich durch das Münchner Abkommen von 1938 Nazideutschland einen großen Teil der Tschechoslowakei auslieferten, teilten Moskau und Berlin 1939 Polen imperialistisch auf. Und auch das US-amerikanische Kapital hatte in Hitler investiert.

Doch dann kam es anders. Die USA und die UdSSR wurden zu antifaschistischen Alliierten. Diese antifaschistische Seite des Zweiten Weltkrieges (UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich) war nicht weniger eine imperialistische Kriegstreiberin wie die faschistische. So wie der Faschismus/Nationalismus in den Regimes der Achsenmächte das KleinbürgerInnentum und das Proletariat für das kapitalistische Gemetzel mobilisierte, war der Antifaschismus die Kriegsideologie bei den Alliierten. Beim antifaschistischen Krieg setzten die DemokratInnen ähnlich wie die Nazis auf Nationalismus.

Den notwendigen militanten Kampf gegen Nazis nennen wir ganz bewusst nicht „antifaschistisch“, weil wir unsere Kritik am Antifaschismus nicht verwässern wollen. Allerdings sind auch große Teile der Antifa nicht in der Lage, dort die harte Auseinandersetzung mit den Nazis und dem rassistischen Pack zu organisieren, wo sie absolut notwendig ist. Folgender Leserbrief von Claus Berger an die junge Welt vom 23. August dokumentiert das Versagen der kleinbürgerlichen politischen Linken angesichts der Offensive des rassistischen Mobs in Rostock Lichtenhagen 1992. Claus Berger schrieb:

„Ja, es waren Linke in Lichtenhagen, als Neonazis in trauter Eintracht mit ganz normalen Rostockerinnen und Rostockern johlend und mit Molotowcocktails vor dem Sonnenblumenhaus das Pogrom feierten. Nur sind 98 Prozent der Linken angesichts der aufgeheizten Stimmung ganz schnell wieder aus Lichtenhagen weg und haben im Jugendzentrum in der Rostocker Innenstadt ein Plenum nach dem anderen abgehalten. Diejenigen, die das unmöglich fanden und nach Lichtenhagen wollten, um direkten Antifaschismus auszuüben, wurden teilweise rüde zurückgehalten: ,Wir müssen noch ein Plenum machen, um zu entscheiden, was wir machen wollen´, ,wir warten noch auf Genossen aus Hamburg´, ,wenn ihr da jetzt hinfahrt, gefährdet ihr die Antifa´ und so weiter und so weiter. Stundenlang.

Vor Ort in Lichtenhagen waren zuvor Leute teilweise handgreiflich daran gehindert worden, aktiv zu werden. ,Da sind die Bullen´ – gemeint waren die schlecht ausgerüsteten Polizisten-Bauernopfer, die in weiter Entfernung standen –oder ,das sind zu viele´, gemeint war der Mob. O.k., ja, man hatte Angst. Eine riesige Angst. Doch wann hört mensch auf, sich hinter dieser Angst zu verstecken und wortgewaltige Plenen abzuhalten, und wann geht mensch in eine Auseinandersetzung mit dem Wissen, dass es eventuell Menschenleben retten kann. Auch wenn diese Auseinandersetzung die eigene Gesundheit gefährden kann. (…)
Dabei waren Leute vor Ort. In kleinen Gruppen haben sie einen Antifaschismus der Tat gezeigt und nicht den der hohlen Worte. Das war weiß Gott (oder sonst wer) nicht schön, und einige Leute haben danach lange gebraucht, um damit klarzukommen, was sie gemacht haben. Aber diese Menschen haben trotz ihrer Angst gehandelt statt geredet. Etliche Nazis und Pöbel konnten danach keine Molotowcocktails mehr werfen.“

Briefende. Eine persönliche Bemerkung von mir dazu. Ich halte minutenlange „Nazis-Raus“-Rufe, dort wo gar keine sind, zum Beispiel auf Antifademos und Antifakonzerten, für oberpeinlich. Lieber den Nazis ohne viel Worte dort einen körperlichen Verweis erteilen wo sie eine reale Gefahr sind. Mensch braucht kein Antifaschist sein, um Nazis zu bekämpfen, aber mensch muss ein Antidemokrat sein, um den Kapitalismus bekämpfen zu können.

Nazis und AntifaschistInnen im Dienst der Demokratie

Wir haben schon gesagt, dass die heutigen Nazis objektiv den rechten Flügel der Demokratie bilden, während der Antifaschismus sich meistens auch noch subjektiv in seiner objektiven Rolle als linker Flügel der Demokratie gefällt. Für die herrschenden großbürgerlich-demokratischen PolitikerInnen schafft dieser Fakt eine ausgezeichnete Lage für ihre taktischen Spielchen um weiterhin die Kontrolle über das Proletariat zu behalten.
Nazis und AntifaschistInnen werfen sich gegenseitig vor, der jeweils verlängerte Arm des Staates zu sein. Da haben sie beide gegeneinander Recht. Sie lügen aber beide, wenn sie jeweils von sich behaupten, sie wären die eigentlichen unabhängigen Rebellen. Revolutionäre StaatsfeindInnen müssen sowohl den Klassencharakter der demokratischen Narrenfreiheiten (Pressefreiheit, Versammlungsrecht, Meinungsfreiheit…) offen legen und kritisieren als auch grundsätzlich die staatliche Repression bekämpfen. So ist zum Beispiel die bürgerliche Pressefreiheit, grundsätzlich nichts anderes als die Freiheit der Bourgeoisie ihre Meinung verkaufen zu können. Die Linke Literaturmesse ist objektiv nichts anderes als die kleinbürgerliche Variante von Warenproduktion und Politik. Auch wenn wir sie als RevolutionärInnen nutzen, muss doch gesagt werden, was ist.
Nazis und AntifaschistInnen fordern beide für die jeweils eigene Seite demokratische Narrenfreiheiten, während sie der jeweiligen Gegenseite staatliche Repression an den Hals wünschen. Einige AntifaschistInnen und Nazis mögen manchmal das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen, aber als politische Strömungen tun sie das nicht wirklich als materielle Gewalt. Der Staat spielt mit beiden Katz und Maus. Er gewährt ihnen beiden politische Narrenfreiheiten, schlägt aber manchmal auch gegen beide hart zu, wenn es sein muss. Manchmal lässt der demokratische Staat Nazis aufmarschieren und morden, manchmal aber ruft er auch zum antifaschistischen „Aufstand der Anständigen“ auf.

Die Nazis spalten mit ihrem Nationalismus und Rassismus das multiethnisch zusammengesetzte Proletariat in Deutschland und weltweit. Damit tun sie grundsätzlich auch nichts anderes als regierende DemokratInnen. Nur etwas primitiver. Der Antifaschismus bekämpft zwar Nationalismus und Rassismus, aber eben nicht grundsätzlich die Demokratie als soziale Diktatur des Kapitals. Auch die AntifaschistInnen verkleistern den grundlegenden Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit, indem sie eine politische Praxis an den Tag legen, die in erster Linie zwischen Nazis und AntifaschistInnen unterscheidet. Bourgeoisie und Proletariat politisch und ideologisch im „Volk“ friedlich zu vereinen, ist das gemeinsame Geschäft von Nazis und DemokratInnen/AntifaschistInnen. Die faschistische „Volksgemeinschaft“, die parlamentarische „Volksherrschaft“ und die antifaschistische „Volksfront“ – alles politisch-ideologische Mäntelchen, hinter der sich die Klassenherrschaft der Bourgeoisie über und gegen das Proletariat verbarg und verbirgt.

So reproduziert sich bürgerliche Politik: Die Nazis helfen den DemokratInnen dabei, dass Proletariat im Interesse der kapitalistischen Ausbeutung nationalistisch und rassistisch zu spalten, während die AntifaschistInnen die Demokratie als „zivilisatorische Errungenschaft“ verteidigen…

Die kleinbürgerliche politische Linke in all ihrer vielfältigen Einfalt ist weder für Nazis, noch für den deutschen Kapitalismus eine Gefahr. Potenziell und tendenziell gefährlich ist aber das Proletariat – auch und sogar in Deutschland. Deshalb müssen sich SozialrevolutionärInnen von der kleinbürgerlichen politischen Linken abspalten und sich vom proletarischen Klassenkampf inspirieren lassen – um auch den Klassenkampf zu inspirieren und radikalisieren zu können. Der Aufbau sozialrevolutionärer Gruppen, die konsequent mit der kleinbürgerlichen politischen Linken brechen, ist eine Notwendigkeit. Es geht um den militanten Kampf gegen das Kapital und sein gesamtes politisches Personal!

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